Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Christians Brevets am Standort ARA Mittelhessen anspruchsvoll sind und typisches Mittelgebirgs-Profil aufweisen.
Die neue 300 km Strecke »lange Rhön« hat nach meiner Aufzeichnung ca. 3.900 Höhenmeter und zwar »ungleichmäßig« verteilt. Insbesondere die vielen kleinen Anstiege auf den letzten 50 km (ca. 900 Hm) waren für mich ziemlich zermürbend.
Kein Zuckerschlecken, dafür landschaftlich traumhaft! Man radelt überwiegend auf wenig befahrenen Straßen oder Wirtschaftswegen und kommt vielfach in den Genuß grandioser Panoramablicke wie z.B. hier vom »Hochmoor« (ca. 830 m Höhe).
35 Randonneure trafen sich am vergangenen Samstag zum Start im Bürgerhaus in Kalbach/Heubach, um die „lange Rhön“ in maximal 20 Stunden zu bewältigen.
Doch zunächst wurden die Kontroll-Kärtchen in Empfang genommen und am reichlich gedeckten Buffet die Tanks nochmal aufgefüllt.
Nach einer kurzen Ansprache von Christian zur Strecke und dem obligatorischen Fotoshooting starteten wir pünktlich um 8 Uhr. Zeitgleich machten sich die 6 Randonneure, die sich zum 200 km Brevet angemeldet hatten, in entgegengesetzter Richtung auf den Weg.
Da bestes Wetter vorhergesagt war, hatte ich diesmal mein Cannondale Synapse gesattelt. Ohne Schutzbleche, mit bergtauglicher Kassette (11-36) und etwa 5 kg leichter als mein Specialized Sequoia.
Mit leichtem Gefälle und Rückenwind rollten wir in südlicher Richtung zur 1.Kontrolle nach Karlstadt. Schnelles Vorankommen mit trügerisch hohem Schnitt. Ideal zum Warmwerden und um die noch bevorstehenden Höhenmeter erstmal gedanklich zu verdrängen.
Die Sonne versteckte sich hinter Nebelschwaden und das Thermometer zeigte zunächst einstellige Temperaturen an, was einen Randonneur nicht davon abhielt in kurz/kurz zu fahren. Allein dessen Anblick ließ mich frösteln. Schon interessant, wie unterschiedlich Kältempfinden ausgeprägt sein kann.
- Kontrolle in Karlstadt (ARAL Tankstelle) – 64 km
Die Kraft der Sonne hatte den Nebel mittlerweile aufgelöst und den strahlend blauen Himmel freigelegt. Die Strecke führte nun vom südlichsten Zipfel wieder nach Norden. Es folgten erste wunderschöne Aussichten, Plätzchen an den ich gern länger verweilt hätte. Aber ich hatte mir vorgenommen bis ca. Mitternacht das Ziel zu erreichen. Somit habe ich die meisten Fotos beim Radeln geschossen.
Unterwegs gesellte sich ein Randonneur zu mir, der keinen Track auf seinem Navi hatte. Bekanntlich geht beim Plaudern die Zeit schneller um.
Und so verging auch der Abschnitt bis zur 2. Kontrolle (AVIA Tankstelle) in Steinach a.d. Saale relativ zügig – 122 km
Hier trennten sich unsere Wege wieder. Nach kurzer Pause, Entblößen der Knie und Einschmieren mit Sonnencreme nahm ich zunächst allein den Anstieg zum Gipfel der »langen Rhön« in Angriff.
Nach einigen Kilometern erhielt ich moralische Unterstützung. Gemeinsam pedalierten wir im kleinsten Gang aufwärts und passierten – viel früher als ich erwartet hatte – die 800 Meter Markierung. Oben angekommen rollten wir »im flow« über die landschaftlich traumhaft schöne Hocheide. Für mich der absolute Höhepunkt der Tour.
3.Kontrolle „Imbiss Schwarzes Moor“ – 160 km
Einige schnelle Randonneure hatten es sich hier bereits gemütlich gemacht.
Ich gönnte mir eine große Cola, füllte meine Getränkevorräte auf und stürzte mich in die Abfahrt Richtung Fladungen. Auch hier wieder ein grandioser Ausblick in die Ferne.
Nach der Talfahrt ging es munter auf und ab, zum nördlichsten Zipfel der Strecke nach Schmalkalden.
4.Kontrolle in Schmalkalden (Aral-Tankstelle) – 212 km
Hier machte ich ein etwas längeres Päuschen und verleibte mir eine Bockwurst und eine kalte Cola ein.
Zu dritt gings weiter und zwar südlich Richtung Tann. Nach wenigen Kilometern ließ ich mich zurückfallen. Das Tempo war mir etwas zu hoch, denn ich wollte Kräfte sparen und meinem Magen die Gelegenheit geben die Bockwurst zu verdauen.
Die letzte Kontrolle vorm Ziel (in einem Steakhouse in Tann) erreichte ich kurz vor 21 Uhr nach 257 km. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits stockdunkel. Die selben Randonneure, die ich am Imbiss Hochmoor getroffen hatte, saßen auch hier wieder gemütlich beisammen. Diesmal nicht mit Kuchen, sondern mit einem saftigem Steak auf dem Teller. Bestens gelaunt schienen sie zu feiern, dass sie den größten Teil der Strecke bewältigt hatten.
Mein Verlangen, schnellstmöglich das Ziel zu erreichen, war deutlich größer als hier zu verweilen und mir ebenfalls ein Steak zu gönnen. Außerdem wollte ich nicht den selben Fehler wie vor 3 Wochen beim 200er Brevet begehen und mit Völlegefühl radeln.
Ich ließ mir den letzten Stempel in die Kontrollkarte drücken und radelte unverzüglich weiter. Nur noch 50 km, kein Problem, dachte ich. Bis hier hin harmonierten mein Kopf und mein Körper perfekt. Ich war physisch und mental deutlich besser drauf als vor 3 Wochen. Doch die vielen kleinen Hügel, die nun folgten und sich zu fast 900 Höhenmetern aufsummierten, waren gefühlt anstrengender als der ganze Rest.
Aber zum guten Schluss siegte Glückseligkeit und tiefe Zufriedenheit über das Erreichte. Um 23:50 Uhr war ich zurück, im warmen Bürgerhaus. Die fleißigen Damen vom Organisationsteam hatten das Buffet wieder aufgefüllt, mit leckern belegten Brötchen und Nussecken.
Gesättigt und müde legte ich mich gegen 1 Uhr ins Auto. Nach 3 Stunden Tiefschlaf und einer Tasse Kaffee gings heimwärts.
Vielen Dank an Christian und die beiden Damen für die tolle Organisation und die sehr schöne Streckenauswahl!
Klasse und Glückwunsch 🙂
Bin durch Zufall über das Rennradforum hier auf dem Bericht gelandet und was mich interessieren würde ist, wie die Zeit in Bewegung und der ungefähre Schnitt ist, den man auf so einem Brevet fährt. Ich weiß dass man das nicht vergleich kann – will einfach mal so ein Gefühl bekommen, ob sowas von mir zu schaffen wäre. Vielleicht nehme ich mir nächstes Jahr den 200er vor – Gießen liegt bei mir um die Ecke.
Viel Spaß bei den kommenden Abenteuern.
Hallo Thomas, vielen Dank! Zum ungefähren Schnitt kann ich nur sagen, dass ich mich leistungsmäßig im Mittelfeld bewege. Das aktuelle 300 km Brevet bin ich mit einem Nettoschnitt von 21,7 km/h gefahren. Bei weniger Höhenmetern bin ich etwas schneller. Brevets sind je nach Streckenlänge auf ca. 15 km/h Brutto ausgelegt. Wenn Du nicht allzu viele Pausen machst, sollte für einen durchschnittlich trainierten Radfahrer die zur Verfügung stehenden Zeiten ausreichen, um ins Ziel zu kommen. Probier’s nächstes Jahr einfach mal aus und mach deine eigenen Erfahrungen. VG Michael
Glückwunsch, Imi! Bei 21,7 netto hattest du ja ein sparsames Pausenmanagement!
Danke, knapp zwei Stunden Pause hab ich gemacht! Nicht üppig, aber meines Erachtens auch nicht sparsam. ?