6 Stunden Radfahren standen heute auf dem Plan, aber nicht nur das, denn die Ausfahrt diente neben Kilometersammeln und Fettstoffwechseltraining noch dazu, diverse andere Erkenntnisse zu gewinnen. Es war eine Erkundungsfahrt, um den Lahn-Eder Radweg auf Rennradtauglichkeit zu testen. Dazu sattelte ich mein Tourenrad (Crossrad), weil ich davon ausging, dass unbefestigte Wegabschnitte zu überbrücken waren und damit lag ich richtig. Ich kann es vorwegnehmen, die Tour ist nur teilweise rannradtauglich. Ich war gespannt, wie mein Allerwertester 6 Stunden mit dem Crossradsattel zurechtkommen würde, ob es nur die Gewöhnung ist, dass ich auf dem Rennrad mittlerweile 180 km schmerzfrei fahren kann, oder ob es tatsächlich an dem Adamo Sattel liegt, der an meinem Rennrad montiert ist, wovon ich bisher ausgegangen bin. Außerdem hatte ich heute nur flüssige Nahrung an Bord, diesmal kpl. ohne Notriegel, um zu testen, wie sich eine lange Tour ohne was zum Kauen anfühlt.
Irgendwie fehlte mir heute früh die innere Ruhe, ich war später dran als geplant, weil ich es am Vortag versäumt hatte, das Crossrad startklar zu machen. Ich fuhr mit Rucksack los, darin eine Trinkblase, gefüllt mit 2 Liter Wasser und 160 g Maltodextrin sowie etwas Kochsalz. Für alle Fälle packte ich trockene Ersatzklamotten ein, für obenrum.
Als ich zum ersten Mal nach 2 km auf den Forerunner blickte, stellte ich fest, dass ich den Brustgurt vergessen hatte, so ein Mist dachte ich, aber umdrehen wollte ich deswegen nicht mehr. Im Nachhinein war es mal ganz gut, so blickte ich nicht ständig auf die Uhr und fuhr nach Gefühl GA1.
Nach 6 Kilometer fing es an zu regnen und da ich ohnehin etwas in Sorge war, dass die leichten Schluckbeschwerden, die ich seit gestern habe, wieder die Vorboten einer Erkältung sind, zog ich einen kurzen Moment in Erwägung, die Tour abzublasen und wieder umzudrehen. Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben und Gott sei Dank war es kurze Zeit später wieder trocken.
Der Wegabschnitt von Bottendorf nach Willershausen ist ein größtenteils geschotterter Waldweg mit Steigung, auf dem ich mich in Schrittgeschwindigkeit abmühte. Wenn man sich dran gewöhnt hat, Schnitte zwischen 27-35 km/h zu fahren, nagen solche Bummelabschnitte am Ego. Meine Stimmung war zu dem Zeitpunkt im Keller, aber ich ließ mich nicht entmutigen, denn der Frust wäre sicher größer gewesen, wenn ich wegen solcher lächerlichen Gründe aufgegeben hätte.
Nach ca. 20 km rollte es einigermaßen und dank der wunderbaren Natur um mich herum war wieder alles gut. Bis dahin musste ich schon dreimal Wasser lassen, zu viel für die kurze Zeit, ein Zeichen, dass ich die Trinkabstände vergrößern konnte. Das Schöne am Tourenrad ist der Fahrradständer, man braucht nichts zum Anlehnen wie beim Rennrad, man bleibt einfach stehen, lässt die Hose runter und gut ist.
Der Schein trügte, anfangs kam mein Hintern gut mit dem Sattel zurecht, doch nach ca. 60 km wurde es unangenehm und der Allerwerteste tat zunehmend weh. Das blieb so bis zum Ende der Tour, wo ich kaum noch drauf sitzen konnte. Erkenntnis, der Adamo Sattel ist wie geschaffen für meinen Poppes.
Kurz vor Biedenkopf wurde es düster, der Himmel wurde schwarz und kurz darauf regnete es, nicht in Strömen, aber so, dass Wasser in den Schuhen stand. Einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken, meine Frau anzurufen und mich abholen zu lassen, aber gleichzeitig ging mir durch den Kopf, dass ich auch beim Wettkampf mit jedem noch so schlechten Wetter vorliebnehmen muss und so setzte ich meine Tour fort.
In Biedenkopf gönnte ich mir eine zehnminütige Kaffeepause, studierte die Karte, doch ohne Lesebrille war das nur eingeschränkt möglich. Gleichzeitig schien mein Navi seinen Dienst zu versagen, Bildschirm eingefroren. Selbst Schuld dachte ich, denn beim Batteriewechsel vor dem Regen hatte ich den Deckel nicht richtig verschlossen. Fehlalarm, kurze Zeit später funktionierte er wieder einwandfrei. Alle drei Radwege, R6, R2 und R8, sind gut ausgeschildert, dennoch verpasste ich dreimal den richtigen Abzweig und war froh, den Navi mitgenommen zu haben.
Richtig anstrengend wurde es nur beim Anstieg von Wallau nach Hatzfeld, der Rest war lockeres Pedalieren, somit war der Pulsgurt nicht wirklich erforderlich. Als ich die Höhe erklommen hatte, war ich nass geschwitzt und wechselte 40 km vorm Ziel doch noch die Klamotten. Das war gut so, denn bei dem frischen Wind fuhr es sich trocken gleich wesentlich angenehmer.
Die Flüssigernährungsstrategie ging voll auf, ich hatte nur minimales Hungergefühl und kam sogar mit nur einem Liter aus, ein Zeichen, dass mein Körper sich ausreichend aus den Fettdepots bediente. Und das anschließende Wiegen zu Hause bestätigte, dass die Trinkmenge ausreichend war, nur 0,5 kg weniger als beim Start.
Die Beine waren bis zum Schluss in guter Verfassung, nur der Po dankte es mir, als wir fast auf den Punkt nach 6 Std. die Haustür erreichten.