Nörglern und unzufriedenen Menschen empfehle ich als Therapie „Langstrecken Radeln“! Warum? Das erfahrt ihr am Ende meines Berichtes.
Die Wetter-App lag für heute daneben, Gott sei Dank! Kein Gewitter und kein einziger Tropfen Regen, während ich unterwegs war. Auf die Strecken App hingegen war Verlass, die Höhenmeter summierten sich wie berechnet. Nicht wegzudiskutierende Fakten. Man kann sie höchstens unterschätzen oder sich überschätzen. So wie ich es bei der Planung getan habe. Ich habe das im gestrigen Blogeintrag nicht erwähnt. Sollte sich schließlich wie ein perfekter erster Tag anhören! Etwas weniger als die Hälfte der heutigen Strecke wollte ich eigentlich gestern von Eisenach aus noch bewältigen. Gut, dass ich es nicht versucht habe. Ich wäre vermutlich gnadenlos eingegangen und in einen Hungerast gefahren. Mein Bruder kennt mich nur zu gut! Nicht ohne Grund und zu Recht hat er mir eine schöne Tour ohne „Leistungsdruck“ gewünscht. Das habe ich beherzigt, gestern und auch heute! Genau deshalb liege ich jetzt hier glücklich und zufrieden und freue mich auf morgen, auf die nächste Etappe.
Aber nun zur heutigen Etappe, was gibt’s zu berichten?
Nicht viel! Es ging permanent rauf und runter, teilweise mit bis zu 20% Steigung. Aber das war eher selten der Fall, meistens zwischen 5-12%. Natürlich war das herausfordernd, aber mit dem 32er Kettenblatt und dem 36er Ritzel trotz schwerem Gepäck gut machbar.
Die Abfahrten konnte ich selten genießen und voll Speed geben, weil die Straßen in zu schlechtem Zustand waren, Schlaglöcher und Buckel vom häufigen Ausbessern. Bei jedem Schlag befürchtete ich, dass mir die Packtaschen oder die Lenkertasche durch die Gegend fliegen. Die Streckenabschnitte mit einwandfreiem Belag waren meist sehr stark von Autos und Motorrädern frequentiert. Trotz Rückspiegel bin ich in solchen Situationen eher unentspannt, denn der Spiegel nützt mir nichts, wenn mich manche Idioten zu dicht überholen und fast von der Straße fegen.
Auch für heute hatte ich die Streckenlänge zu optimistisch geplant und ein Hotel in Neuhaus (Rennsteig) gebucht und wieder storniert. Schließlich hab ich Urlaub und will abends nicht völlig platt die Tagesetappe beenden. Deshalb bin ich in Neustadt (Rennsteig) im Hotel Kammweg abgestiegen. Hier bezahle ich trotz größerem Leistungsumfang nur halb soviel wie gestern im Luther Hotel. Ok, ich stand gerade vor der Tür und meine Karte funktionierte nicht mehr, vermutlich Magnetstreifen gelöscht, weil ich sie zusammen mit dem iPhone in der Tasche hatte. Freundlicherweise hat mich eine Bedienung mit einer Universalkarte reingelassen. Bis morgen früh darf ich mein Zimmer nicht mehr verlassen, ansonsten muss ich vor der Tür schlafen. Und die Wände sind ziemlich schalldurchlässig, man hört jeden Pups aus den Nachbarzimmern. Es gibt echt Schlimmeres!
Alles in allem war’s eine überwiegend sehr schöne „Quäldich.de“ Strecke! An nahezu jedem Gipfel habe ich ein Foto geschossen, sofern ich freie Sicht hatte und morgen geht’s genauso weiter. Rennsteig eben!
Ach so, das mit den Nörglern hab ich noch nicht erklärt. Ein älteres Ehepaaar, um die 80, sitzt heute beim Abendessen direkt neben mir. Er moniert – ohne Guten Abend zu sagen – dass ich am falschen Platz sitze. Die Tische werden zugeteilt, und da wo ich sitze, saßen sonst andere. „Nein, sitze ich nicht. Die Kellnerin hat mir diesen Platz zugewiesen“: entgegne ich freundlich und wünsche den Herrschaften guten Appetit. Mit finsterer Miene nörgeln die beiden in einer Tour, übers Essen, über die Selbstbedienung am Buffet, das sei niveaulos, über den fehlenden Gepäckservice usw. Ohne eine nette Geste und ohne ein Wort stehen die beiden Nörgler nach dem Essen auf und gehen.
Ich habe nach einer langen Radtour nur wenige Grundbedürfnisse: ein Dach überm Kopf, ein Bett, ein sättigendes Mahl, 2-3 Bier, vielleicht noch eine Dusche, aber das ist dann schon Luxus. Dabei nehme ich auch schon Mal mindere Qualität in Kauf und zwar ohne zu nörgeln. Hauptsache ich bin versorgt! Ich hoffe, dass ich mich nicht selbst mal so verhalte wie die beiden am Nachbartisch. Ausgeschlossen, auch ohne Langstreckenradeln!
95 km / 1.905 Hm / 16,2 km/h
Gesamt : 251 km / 3121 Hm
Ich bin der Meinung, das läst sich genauso auf das Langstreckenlaufen und -schwimmen applizieren. Viel Sport=viel Gelassenheit ist auch das, was ich an mir zu beobachten glaube.
Sehe ich genauso! Wenn man sich auspowert und auch hin und wieder an seine Grenzen geht, wird man gelassener, egal welche Sportart man betreibt.